«Ein Kulturwandel ist spürbar»
Zur Swissbau 2026 zieht der SIA Bilanz zum Kernthema Beschaffungswesen. Im Interview beleuchten der Vizepräsident Federico Ferrario und der Themenverantwortliche Laurindo Lietha die Erfolge, Chancen und Potenziale seit der letzten Messeteilnahme 2024.
Was waren aus Ihrer Sicht beim SIA in den letzten zwei Jahren die wichtigsten und eindrücklichsten Neuerungen im Kernthema Beschaffungswesen?
Federico Ferrario: Für mich waren unsere Fortschritte beim Thema Projektallianzen bemerkenswert. Ausserdem erlebe ich, dass die Ausschreibungen durch das neue Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) spürbar verbessert wurden: Man spricht mehr über Qualität anstatt nur über den Preis.
Laurindo Lietha: Für mich war der Ausbau der Marktbeobachtung ein wichtiges Thema, damit wir den Überblick haben, was wo läuft. Durch das gemeinsame Vergabemonitoring mit Bauenschweiz haben wir quantitative Daten und wissen, wo der Schuh drückt. Unsere Beobachtungsstellen für Wettbewerbe und Ausschreibungen (BWA) ergänzen dies um einen qualitativen Aspekt und decken mittlerweile die ganze Schweiz ab. In unserer Arbeit haben wir uns besonders auf die Gemeindeebene konzentriert, weil es hier erfahrungsgemäss im Vergleich mit Bund und Kantonen oftmals an Ressourcen mangelt, um das neue Beschaffungsrecht angemessen umzusetzen. Dafür haben wir mit Partnerverbänden den Wegweiser Planungsbeschaffung als Online-Tool erstellt.
Federico Ferrario: Wichtig und ein grosser Erfolg für den SIA war hier aus meiner Sicht, dass wir nun nachhaltig organisierte Marktbeobachtungsstellen haben. Der institutionalisierte Austausch macht vieles effizienter.
Die Swissbau 2026 wird eröffnet mit dem BöB-Jubiläumsanlass «Bauprozesse im Wandel», an dem der SIA beteiligt ist. Wie bewerten Sie aus SIA-Sicht das rund fünfjährige Jubiläum des BöB?
Federico Ferrario: Man sieht eine Verbesserung bei der Berücksichtigung von qualitativen Kriterien, obwohl die Situation noch nicht optimal ist. Für uns Planungsbüros gibt es noch viele bürokratische und administrative Mehraufwände. Auch bei der Vermeidung von Dumpingangeboten empfinde ich die Situation noch als unbefriedigend.
Laurindo Lietha: Aus meiner Sicht ist ein Kulturwandel spürbar, und es werden die richtigen Diskussionen geführt. Aber das Tempo bei der Umsetzung lässt, wie ich finde, zu wünschen übrig. Ich würde sagen, dass sich die Verfahren verbessern, aber nicht in dem Masse, dass wir von einer nachhaltigen Beschaffungskultur reden könnten. Dies führt auch dazu, dass immer noch ein harter Konkurrenzkampf um Preise bei gleichzeitigem Fachkräftemangel herrscht.
Das Thema Projektallianzen wurde vom SIA in den Fokus gestellt, beispielsweise mit der Fachtagung «Planen und Bauen in Projektallianzen», dem Merkblatt SIA 2065, der Gründung des Vereins «pro-allianz.ch» und der Bereitstellung einer Vorlage für einen Allianzvertrag. Wie schätzen Sie das Potenzial von Projektallianzen in der Branche ein?
Federico Ferrario: Während sie in anderen Ländern schon intensiver angewendet werden, sind Projektallianzen in der Schweiz noch neu. Die grossen Auftraggeber wie die SBB oder auch das Bundesamt für Strassen ASTRA sind sehr interessiert und bereit, Pilotprojekte zu starten.
Laurindo Lietha: Der Bedarf an neuen Projektorganisationsformen, die partnerschaftlich sind und den gemeinsamen Projekterfolg ins Zentrum stellen, ist aus meiner Sicht enorm. Der SIA möchte Pilotprojekte unterstützen und begleiten. Zu diesem Zweck haben wir den Verein pro-allianz.ch als Plattform mit dem SBV und suisse.ing gegründet, um gemeinsam Erkenntnisse zu gewinnen.
Die Ordnungen SIA 142 für Wettbewerbe und SIA 143 für Studienaufträge wurden umfassend revidiert und sind seit August gültig. Was sind aus Ihrer Sicht die Neuerungen?
Laurindo Lietha: Eine Wettbewerbsordnung gibt es beim SIA seit 1877, und die aktuelle Revision ist in diesem Kontext weniger als Revolution, sondern eher als Aktualisierung zu sehen. Sie wurde paritätisch mit öffentlichen Bauherrschaften gemacht und ist daher anerkannt auf beiden Seiten.
Federico Ferrario: Das Regelwerk wurde an gesetzliche Bedingungen angepasst und enthält Neuerungen beispielsweise zum Urheberrecht und den Vergütungsverfahren. Zudem werden in dieser Ausgabe die Aspekte der Qualität, Fairness und Transparenz gestärkt.
Was beschäftigt Sie derzeit beim SIA besonders, und welche Projekte liegen Ihnen in der nächsten Zeit am Herzen?
Laurindo Lietha: Ein zentrales Element ist für mich die sinnhafte Integration von Nachhaltigkeitskriterien in die Beschaffungsverfahren. Wir hatten dazu verschiedene Veranstaltungen, beispielsweise im Juni 2025 die RUNDUM-SIA-Ausgabe «Postfossile Wettbewerbe», und erarbeiten in Arbeitsgruppen inhaltliche Grundlagen. Dabei müssen wir uns einigen, was Nachhaltigkeit für uns bedeutet. Für mich ist das nicht nur Ökologie, sondern muss umfassender gesehen werden: ökonomisch, volkswirtschaftlich, sozial und auch kulturell.
Federico Ferrario: In der Vorstandsarbeit ist für mich das Thema der angemessenen Vergütung von Planungsleistungen ein zentraler Punkt. Mit der Plattform Aufwandermittlung, der Value App und auch der Revision der Leistungs- und Honorarordnungen sind wir hier an mehreren Stellen engagiert und zuversichtlich, dass wir spürbare Verbesserungen für unsere Mitglieder anregen können.