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Die Stadt als Schwamm

Urbane Gebiete, die nach den Schwammstadt-Prinzipien realisiert wurden, sind für die künftigen klimatischen Bedingungen gewappnet. Schwammstädte reduzieren das Risiko von Überschwemmungen und Überhitzung, indem sie Wasser speichern und es bei Trockenheit durch Verdunstung wieder abgeben.

Jede und jeder kennt das Prinzip: Ein Schwamm saugt Wasser auf, drückt man ihn aus, gibt er das Wasser wieder ab. Nach dieser Idee sollen künftig auch Städte funktionieren. Die sogenannte Schwammstadt vereint verschiedene Massnahmen, um den klimatischen Bedingungen der Zukunft besser gewachsen zu sein. Insbesondere dicht besiedelte Gebiete werden künftig mit höheren Temperaturen konfrontiert sein. Der Klimawandel ist aber auch der Grund, weshalb wir mit intensiveren Niederschlägen rechnen müssen. Laut den Schweizer Klimaszenarien CH2018 haben Starkniederschläge zwischen 1901 und 2015 um 30 Prozent zugenommen und im selben Zeitraum ist die Wassermenge um 12 Prozent angestiegen. Es ist damit zu rechnen, dass diese Zahlen mit dem Fortschreiten des Klimawandels weiter steigen werden. 

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Die Auswirkungen des Klimawandels in den vergangenen Jahrzehnten: Auch Starkniederschläge sind seit 1901 deutlich häufiger und stärker geworden. (Grafik: Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz)

Wasser als wertvolle Ressource nutzen
Was starke Regenfälle anrichten können, hat die Stadt Zofingen 2017 erfahren, als ein Unwetter grosse Schäden verursachte. Eines der Probleme bei Starkregen ist der Oberflächenabfluss. Das heisst, das Wasser kann aufgrund der starken Versiegelung der Oberflächen nicht versickern oder durch entsprechende Infrastrukturen abgeleitet werden. Es sucht sich seinen eigenen Weg – im Fall von Zofingen mitten durch die Altstadt, wobei es zu Schäden in Millionenhöhe kam.

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Eine Schwammstadt hält das Wasser zurück und gibt es bei Trockenheit wieder ab. (Grafik: dreiseitl consulting).

Doch eigentlich wäre das Wasser angesichts der häufigeren sommerlichen Trockenperioden ganz nützlich. Aus diesem Grund ist eine Schwammstadt so konzipiert, dass sie die wertvolle Ressource besser nutzt. Sie hält das teilweise im Überfluss vorhandene Wasser zurück und gibt es bei Trockenheit wieder ab. Vorbild für die Schwammstadt ist der natürliche Wasserkreislauf. Fällt schwacher Regen, wird das Wasser im Boden gespeichert und verdunstet anschliessend über die Pflanzen. Grössere Wassermengen durch stärkere Niederschläge durchdringen nicht nur die oberen Schichten, sondern erreichen auch das Grundwasser. Bei Starkniederschlägen kommen allerdings auch diese natürlichen «Speicher» an ihre Kapazitätsgrenzen. Dazu kommt, dass die Versiegelung von Oberflächen in urbanen Gebieten das Versickern grosser Wassermengen verhindert. Als Folge davon sucht sich das Wasser einen Weg und sammelt sich in Vertiefungen und Mulden. Sind auch diese voll, wird das im Übermass vorhandene Wasser zur Gefahr, denn es fliesst unkontrolliert in Richtung eines Gewässers.

Oberflächen entsiegeln
Entsprechende planerische Massnahmen können in einer Schwammstadt die natürlichen Kapazitäten zur Wasserspeicherung deutlich erhöhen. Ein Ansatz ist, die Oberflächen – dazu gehören auch Dächer – unversiegelt zu gestalten, zu begrünen oder zu entsiegeln. Über solche Flächen kann nämlich zusätzliches Wasser versickern, oberflächennah gespeichert und verdunstet werden. So hält eine Schwammstadt bei Starkniederschlägen das Wasser zurück. Nötigenfalls kann es auch gezielt zu Flächen wie Parks, Sport- oder Parkplätze geleitet werden, die sich kontrolliert fluten lassen, ohne Schäden zu verursachen. Auch Geländemulden oder Kleingewässer können einen Teil des Wassers aufnehmen. Kommt es dennoch zu Oberflächenabflüssen, müssen die Fliesswege im Voraus definiert sein.

Frieder Kaiser

Frieder Kaiser ist stellvertretender Leiter Planung Projektierung Bau beim Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt. (Foto: Stadtgärtnerei Basel)

Bei der Planung öffentlicher urbaner Freiräume besteht eine Vielzahl an Anforderungen, die es zu beachten gilt. Genau mit diesen setzt sich Frieder Kaiser, stellvertretender Leiter Planung, Projektierung, Bau beim Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt, auseinander: «Mit dem Schwammstadt-Prinzip wollen wir die Klimaanpassung stärker in der Platz- und Strassenraumgestaltung berücksichtigen. Gleichzeitig müssen wir die an den städtischen Raum gestellten Nutzungsanforderungen sowie die gewohnten Standards zu Sicherheit und die Hindernisfreiheit gewährleisten.» Der Kanton Basel-Stadt lege dabei Wert auf möglichst naturnahe Lowtech-Lösungen, die möglichst ohne Leitungen, Rinnen, Schächten und dergleichen realisierbar seien, betont Kaiser.

Mehrwert fürs Klima
Eine Schwammstadt ist aber viel mehr als die Lösung des Entsorgungsproblems für das Wasser. Wurde bislang der Fokus auf die Versickerung von Regenwasser gesetzt, wird in einer Schwammstadt auch die Verdunstung gefördert. Kann nämlich gespeichertes Wasser verdunsten, wenn es über längere Zeit heiss und trocken ist, hat dies einen kühlenden Effekt auf die Umgebung. Der Nutzen geht darüber hinaus, denn das Wasser nährt auch das Stadtgrün. Dieses spendet Schatten und auch die Transpiration – also die Verdunstung über Pflanzen – wirkt sich positiv auf das Stadtklima aus.

Chancen nutzen
Eine wesentliche Herausforderung sieht der Experte allerdings im begrenzten Raum. «Oberirdisch wie auch unterirdisch haben wir derart viele Anforderungen zu bewältigen, dass wir an räumliche Grenzen stossen», sagt Kaiser. «An der Oberfläche brauchen insbesondere der Verkehr, aber eben auch die Grünflächen respektive die Biodiversität viel Raum. Im Untergrund verhält es sich gleich, zum Beispiel mit den Werkleitungen und dem Wurzelraum der Bäume.»

Trotzdem sieht Kaiser in Schwammstädten auch viele Chancen, denn sie machen Städte fit für den Klimawandel und widerstandsfähiger gegenüber Starkregenereignissen. Nebst einem effektiven Schutz vor den Folgen starker Niederschläge und den Vorteilen für das Stadtklima sind Schwammstädte zudem ein Segen für die Biodiversität, denn sie bieten eine gute Lebensgrundlage für Tiere und Pflanzen, darunter auch viele bedrohte Arten. Durch die Entsiegelung, das Schaffen von Grünflächen und die Renaturierung von Gewässern werden neue Lebensräume für Pflanzen und Tiere geschaffen. Darüber hinaus bilden auch Vertikal- oder Dachbegrünungen wertvolle Rückzugsorte für Insekten und andere Tierarten im städtischen Kontext.


Weitere Informationen zum Thema Schwammstadt

Einen vertieften Einblick ins Thema «Schwammstadt» bietet der Bericht «Regenwasser im Siedlungsraum», den das Bundesamt für Umwelt und das Bundesamt für Raumentwicklung publiziert haben. Gute Hilfestellungen und Antworten auf zahlreiche Fragen rund um das Thema bietet auch der BSLA. Wie der Kanton Basel-Stadt die Schwammstadt-Prinzipien anwendet, erfahren Interessierte auf der Website des Bau- und Verkehrsdepartements sowie in einem kurzen Film.

An der Swissbau widmen sich gleich zwei Veranstaltungen dem Thema Schwammstadt:

Schwammstadt gestalten (swissbau.ch) Von Kantons- und Stadtentwicklung Basel-Stadt und BSLA sowieSchutz vor Naturgefahren, Dienstag, 16. Januar 2024, 12:30 - 13:30 Uhr, Raum 2/Swissbau Focus/Halle 1.0

Schwammstadt in der Praxis – Wie sieht die Stadt von morgen aus? Von Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein SIA und Bauen digital Schweiz/buildingSMART Switzerland,Dienstag, 16. Januar 2024, 14:00 - 15:00 Uhr, Arena / Swissbau Focus / Halle 1.0