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Hot in the City: Warum Städte schwitzen und was Abkühlung bringt

Der Sommer 2022 war rekordverdächtig heiss und trocken. Mit dem Klimawandel nehmen die Extremwetterereignisse zu. Besonders in Städten bilden sich Wärmeinseln, die sich selbst nachts nicht mehr abkühlen. An das Klima angepasstes Bauen ist für Städte deshalb nicht nur eine Kür, sondern Pflicht.

Schon im vergangenen Frühling verzeichnete die Schweiz ausgesprochen viel Sonnenschein und wenig Niederschlag. Weitere Hitzeperioden mit Temperaturen über 30 Grad folgten im Juli und im August. Gemäss Meteoschweiz war dieser Sommer der zweitheisseste seit Messbeginn 1864. «Die Sommertemperaturen haben seit 1970 im Mittel um zwei bis drei Grad zugenommen, und es geht weiter so», sagt Stefan Brönnimann, Klimaforscher an der Universität Bern. «Bis im Jahr 2050 werden wir bei uns ein ähnliches Klima wie in der Balkanregion haben.» Wer gerne ans Mittelmeer reist, mag an dieser Annäherung an das Mittelmeerklima Freude haben. Doch die hitzebedingten Belastungen sind gross und stellen gerade für ältere Menschen und Kleinkinder ein erhöhtes Gesundheitsrisiko dar. Wissenschaftler, Architektinnen und Städteplaner sind deshalb gefordert, dass die Sommer in den Städten auch in Zukunft erträglich bleiben.

Städte vom «Wärmeinseleffekt» betroffen

Drei Viertel der Schweizer Bevölkerung lebt heute in Städten, die besonders anfällig für höhere Temperaturen sind. Als Folge von Hitzetagen können wir uns schlechter konzentrieren, arbeiten weniger produktiv und schlafen nachts nicht so gut. «Insbesondere in Städten mit dichter Bebauung, wenig Grün und wenig Kältezufuhr durch Frischluftschneisen wird es im Sommer deutlich heisser als in der Umgebung», erklärt Brönnimann. Man spricht in diesem Zusammenhang vom städtischen Wärmeinseleffekt. Je länger eine Hitzewelle andauert, umso belastender ist sie für die Menschen und die Umwelt. Wie Brönnimann ausführt, kann das besonders nachts zum Problem werden. «Durch die grössere Menge an gespeicherter Hitze kann die Nachttemperatur in der Innenstadt um mehrere Grad höher sein als auf dem Land.»

Der Handlungsbedarf ist erkannt

Verschiedene Schweizer Städte haben inzwischen um­fassende Klimakonzepte erarbeitet und setzen diverse Massnahmen und Pilotprojekte für eine klimaangepasste Siedlungsentwicklung um. Die Fachplanung Hitzeminderung der Stadt Zürich berücksichtigt beispielsweise bei der Planung von Arealen, dass Kaltluftströme nicht durch Gebäude blockiert werden. Kühle Luft entsteht in den umgebenden Grün- und Freiflächen insbesondere an den Hanglagen und wirkt in den Nachtstunden der Wärmebelastung entgegen. Weiter setzt die Stadt Zürich auf die Entsiegelung von Böden und den Einsatz von helleren Materialien sowie die Begrünung von Fassaden und Dächern. Zudem soll der Baumbestand systematisch gepflegt und erneuert werden.

Ein Beispiel für Vertikalbegrünung ist am Turmgebäude des Zürcher Stadtspitals Triemli zu sehen, wo Pflanzen durch Schatten und mit Verdunstung für kühlere Temperaturen im Innenraum sorgen sollen. Zwischen Januar und März 2022 wurden dafür auf 16 Stockwerken insgesamt 4600 Pflanzen aus 100 verschiedenen Arten angelegt. Sobald sie die gewünschte Höhe erreicht haben, werden sie am Gebäude eine Fläche von 2300 Quadratmetern bedecken.

Die Stadt Bern realisierte im Jahr 2021 auf dem Ansermetplatz ein Pilotprojekt mit schattenspendenden Bäumen und Sträuchern, mobilen Sitzgelegenheiten und Spielmöglichkeiten für Kinder. Auch ein Swimmingpool wurde aufgebaut. Die Bevölkerung nahm die Idee der sozialen und klimatischen Skulptur begeistert auf. Eine dauerhafte Entsiegelung des Platzes ist in Prüfung.

Die Stadtverwaltung von Sitten setzt nach dem Motto «Mehr Grün und Blau statt Grau» auf möglichst viele kleine Massnahmen: einen Baum vor einem Haus pflanzen, eine Betonfläche aufreissen, eine Fassade be­grünen, Gras anpflanzen, wo möglich ein Bächlein durchfliessen lassen. Klimaforscher Brönnimann findet diesen Ansatz gut: «Klimaaspekte sollten bei allen Projekten berücksichtigt und kleine Projekte direkt um­gesetzt werden. Es ist die Summe aller grossen und kleinen Massnahmen, die letztlich unsere Städte kühlt.»

Auch in anderen Schweizer Städten ist der Handlungsbedarf hoch. Die zuständigen Verwaltungen sind dabei, basierend auf den individuellen Stadtklimakonzepten interessante, wegweisende Projekte umzusetzen.

Bäume und Pflanzen kühlen am besten

«Als effektivste Massnahme zur Hitzeminderung haben sich Begrünungen herausgestellt», sagt Stefan Stevanovic, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW in Wädenswil. Er ist in Zürich, Basel und Luzern an verschiedenen Baumpflanzungsprojekten mit Elementen des Schwammstadtprinzips beteiligt, beispielsweise an der Giessereistrasse in Zürich. Dabei wird das Wasser statt in die Kanalisation in die Grünflächen abgeleitet, verdunstet via Boden oder Bäume und kühlt die Umgebung ab. Immer mehr Schweizer Städte setzten Elemente der Schwammstadt um. In Basel-Stadt ist VoltaNord das erste Areal, das nach diesem Prinzip entwickelt werden soll, aber auch andere grössere Transformationsareale des Kantons bieten Potenzial für die Umsetzung einer klimaangepassten Siedlung.

«Grünflächen haben eine deutlich bessere Wirkung als technische Lösungen wie etwa hellere Bodenbeläge oder der Einsatz von Sprühnebel», so Stevanovic. Pflanzen tragen zur Abkühlung in Städten bei, indem sie Wasser über ihre Blätter verdunsten. Deshalb seien begrünte Fassaden und Balkone, Dächer mit Pflanzen sowie fliessende Wasserquellen hilfreich gegen Wärmeinseln in der Stadt. Bäume spenden zudem Schatten und reinigen die Luft. Diese müssen aber den steigenden Temperaturen und der zunehmenden Trockenheit gut standhalten können.

Begrünung der Giessereistrasse in Zürich: Ulme mit einer Klima-Messstation

Ebenfalls bewährt hat sich die Entsiegelung von Böden

In der Schweiz sind laut Bundesamt für Statistik (Arealstatistik) insgesamt mehr als 60 Prozent der Siedlungsflächen versiegelt. «Wo möglich, sollten diese aufgelockert werden», erklärt Stevanovic. «Schotterrasen, Flächen mit Stauden und Kräutern oder durchlässige Böden reduzieren den Wärmeinselstress sehr gut und auch das Wasser kann besser versickern.» Für mehr entsiegelte Flächen spricht sich auch Klimaexperte Stefan Brönnimann aus. «Mit dem Klimawandel geht nicht nur die Temperatur hoch, auch die Intensität der Niederschläge steigt.» Fliesse der Regen von der Strasse direkt in die Kanalisation, stelle das die städtischen Entwässerungssysteme vor Herausforderungen. Heute kommen Kanalisationen bei Starkregen ans Limit und die Gefahr von Überschwemmungen nimmt zu. Versickert das Wasser hingegen langsam auf durchlässigen Belägen, kann es verdunsten und die Umgebung kühlen.


Die Summe vieler Massnahmen bringt am meisten

«Patentrezepte für den kühlenden Städtebau gibt es keine und jede Stadt braucht individuelle Lösungen», betont Stefan Stevanovic. Generell könne man aber festhalten, dass eine Stadt zur Hitzeoptimierung mehr Luft, Wasser und Grün brauche. Der Wissenschaftler wünscht sich mehr Mut, damit innovative Dinge ausprobiert und auch Misserfolge in Kauf genommen werden. Auf das Engagement jedes Einzelnen komme es an, sagt er – sei es durch das Aufstellen einer Regentonne im Garten, die Bepflanzung des Balkons oder generell durch den bewussten Umgang mit Ressourcen.


Der sogenannte städtische Wärmeinseleffekt ist ein typisches Merkmal des Lokalklimas von Städten (Stadtklima). Er wird als Differenz der Luft- oder Oberflächentemperatur zwischen der wärmeren, dicht bebauten Stadt und dem kühleren, unbebauten Umland definiert. Das Phänomen wurde bereits 1833 in London erstmals durch Temperaturmessungen von Luke Howard be­schrieben. Der Effekt kann in grossen Städten mehr als 10 Grad Celsius betragen. Die Hauptursachen sind: dichtstehende und hoch­reichende Gebäude, die Verwendung wärmespeichernder und eher dunkler Materialien (z. B. Beton, Asphalt), hohe Anteile ver­siegelter Oberflächen (z. B. Strassen, Plätze), reduzierte Grün­be­stände und zusätzliche Wärme­emis­sionen (z. B. Industrie, Verkehr, Abluft). Sie alle sorgen dafür, dass sich Städte tagsüber stärker erwärmen und nachts nur verzögert abkühlen. Der städtische Wärme­inseleffekt ist in den Abend- und Nachtstunden von strahlungs­intensiven Sommertagen (z. B. während Hitzewellen) am stärksten ausgeprägt. In Kombination mit der prognostizierten Zunahme von Anzahl, Dauer und Intensität von Hitzeextremen durch den Klima­wandel werden Städte und ihre Bewohnerinnen und Bewohner weltweit zunehmend mit dieser Herausforderung konfrontiert.

 
Einflussfaktoren des städtischen Wärmeinsel-effekts und Temperaturverlauf über einer schematisierten Stadt kurz nach Sonnenuntergang.
Probst, M. und Gubler, M. (2019): Klimawandel und Klimapo­litik. Bern: éducation21



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