Standpunkt SBIL on tour 2022

«Unsere Kunden sind immer genau im Bild, zu was sie Ja sagen»

Die Digitalisierung ist kein Allheilmittel für bessere Architektur. Doch sie ermöglicht Planenden, Architekten und Auftraggebern, das Augenmerk stärker auf optimale städtebauliche, architektonische und technische Lösungen zu legen.

Maurus Frei gibt Einblick in den Transformationsprozess, der in seinem Büro maurusfrei Architekten bereits weit fortgeschritten ist.

 

Redaktion Swissbau: Maurus Frei, Ihr Architekturbüro befindet sich mitten in der digitalen Transformation. Wo stehen Sie derzeit?

Maurus Frei: Wir planen seit 15 bis 20 Jahren ausschliesslich an digitalen Modellen und waren darin lange Einzelkämpfer. Nun hat sich das Umfeld so entwickelt, dass wir nicht mehr alleine unterwegs sind, und somit testen können, was wie geht und was sinnvoll ist. Ich denke da vor allem an die Informationen in den digitalen Modellen, die Art der Zusammenarbeit, die Kommunikation mit den Projektbeteiligten und die richtigen, dem Planungsstand entsprechenden Werkzeuge. Die dadurch entstandene Effizienzsteigerung gibt uns mehr Raum für die Auseinandersetzung mit städtebaulichen, architektonischen und technischen Themen. Damit können wir gemeinsam mit unseren Auftraggebern und Planerkollegen ein optimales Projekt entwickeln und dieses auch sicher umsetzen. Da wir der Meinung sind, dass die Digitalisierung vor allem ein Thema der Kollaboration ist, legen wir im Moment grossen Wert auf die Art und Weise der Zusammenarbeit und den dazu notwendigen Wissenstransfer.

Hat die Corona-Krise den Digitalisierungsprozess in Ihrem Büro beschleunigt?

Ja, die Krise hat die bereits ausgelösten Massnahmen noch beschleunigt. Wir hatten bereits Ende 2019 in Chur und Zürich Videokonferenzräume eingerichtet, um zwischen unseren Büros und mit Dritten besser zusammenarbeiten zu können. Dies hat uns in die Hände gespielt, weil wir kurz vor dem Lockdown ein grosses internationales Projekt in Angriff genommen hatten und wir so über viele Länder hinweg mit unseren Partnern vorwiegend digital kommunizieren konnten. Die Installation unseres ic-Raums hat sich hingegen etwas verzögert, ist nun allerdings ebenfalls einsatzbereit. Im ic-Raum projizieren wir die Projektmodelle an die Wand und tauchen damit «immersiv» in die digitalen Modelle ein. Das ermöglicht eine präzise Kommunikation zwischen allen Beteiligten im virtuellen Raum und verhindert Missverständnisse.


Wo orten Sie Vorteile gegenüber herkömmlichen Planungsmethoden?

Die digitalen Möglichkeiten bieten einem auf allen Ebenen – in der Analyse, im Entwurf, in der Planung, in der Kommunikation, in der Umsetzung – viele Vorteile. Die Vorzüge dieser neuen Planungsmethoden müssen aber hinsichtlich Effizienz- und Sicherheitssteigerung erst noch bestätigt werden. Die ersten Resultate sind jedoch vielversprechend. 

Welchen Nutzen bringt die Digitalisierung Ihren Kundinnen und Kunden?

Die digitalen Arbeitsmethoden ermöglichen eine gemeinsame Projektentwicklung. Unsere Kundinnen und Kunden können sich von Anfang an in unserem neu installierten ic-Room in den digitalen Modellen ohne VR-Brille bewegen. Sie sind somit immer genau im Bild, zu was sie ja oder nein sagen. Wo sind aus Ihrer Sicht die Grenzen von BIM?
Ich kenne im Moment noch keine Grenzen von BIM. Das hat aber vor allem damit zu tun, dass wir noch nicht so weit vorgedrungen sind, dass wir bereits von Grenzen sprechen möchten. BIM allein macht aber keine bessere Architektur.

Kollaboration ist Ihnen ein grosses Anliegen. Baut man besser, wenn man die Auftraggeber oder die Nutzenden eng in die Planungsprozesse einbezieht?

Auf jeden Fall. Beim Bau des Medienhauses in Chur haben wir beispielsweise die Erfahrung gemacht, dass eine enge Zusammenarbeit mit den Auftraggebern respektive mit den Nutzerinnen und Nutzern sehr grosse Vorteile bringt. Wenn es gelingt, gemeinsame Ziele hinsichtlich Architektur, Funktionalität, Kosten und Termine zu formulieren, entsteht ein Vertrauensverhältnis, das die gesamte Projektabwicklung vereinfacht und optimiert. Das macht alles effizienter, sicherer und am Ende allen Beteiligten mehr Spass.

Sie sagen, Architektur muss Emotionen wecken. Kann die zunehmende Digitalisierung diesen Anspruch unterstützen? Oder steht sie eher im Widerspruch dazu?

Da die Digitalisierung insbesondere die Zusammenarbeit und die effiziente Projektabwicklung beeinflusst, ist sie vorderhand ein Werkzeug und hat keinen Einfluss auf die Architektur. Durch die Effizienzsteigerung und die gemeinsam optimierte Projektabwicklung aller Beteiligten bekommt man aber mehr Zeit, sich um Gestaltungsthemen zu kümmern. So kann man eher an die Grenzen des Machbaren gehen, was zum Gewinn für die Architektur und den öffentlichen Raum führt.  

Maurus Frei, herzlichen Dank für dieses Interview.



maurusfrei Architekten ist bei der neuen Initiative Swissbau Innovation Lab on Tour als Research & Planning Partner dabei.

Maurus Frei
Maurus Frei ist Dipl. Architekt ETH/SIA und hat 1996 das Büro maurusfrei Architekten gegründet, das an den Standorten Chur und Zürich rund 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. maurusfrei Architekten befasst sich nebst dem Wohnungsbau auch mit Aufgaben in den Bereichen Bildung, Arbeiten, Infrastruktur, Tourismus oder Kunst, vorzugsweise als Generalplaner. maurusfrei Architekten unterrichtet mit drei bis vier Mitarbeitenden an der FH Graubünden in Chur.
www.maurusfrei.ch